Honduras: der weißgewaschene Putsch

von Fabian Unterberger

erschienen in Südwind Magazin

Anfang 2011, nach einem Jahr Präsidentschaft von Porfirio Lobo Sosa, ist Honduras tief gespalten. Entgegen dem Versprechen Lobos, eine Regierung aller HonduranerInnen zu formen, stehen sich zwei Lager weiterhin unversöhnlich entgegen.

Auf der einen Seite die aktuelle Regierung aus dem rechten Flügel der liberalen Partei PLH und der Nationalpartei PNH. Gestützt wird sie von Großgrundbesitzern und der Unternehmerkammer COHEP, nicht zuletzt aber auch durch die EU, die den honduranischen Sicherheitsapparat im Rahmen des PASS Programms mit 44 Millionen Euro stärkt.

Auf der anderen Seite die Widerstandsplattform Frente Nacional de Resistencia Popular (FNRP), in deren Augen Lobo seine Präsidentschaft dem zivil-militärischen Putsch vom 28. Juni 2009 verdankt, und die seiner Regierung die Legitimität abspricht.

Der damals geputschte Präsident Manuel Zelaya hatte zuvor das politische Ruder in Honduras herumgerissen, Privatisierungen gestoppt, den Mindestlohn um zwei Drittel erhöht und ein offenes Ohr für die Anliegen sozialer Bewegungen gezeigt. Als Zelaya eine Initiative startete, die diesen sozialen Wandel im Verfassungsrang fortschreiben hätte können, war in den Augen der Oligarchen der Bogen überspannt. Er wurde kurzerhand nach Costa Rica entführt, dem Kongress ein gefälschtes Rücktrittsschreiben vorgelegt und über die Hauptstadt Tegucigalpa eine Ausgangssperre verhängt. Nach 5 Monaten Putschregime unter Roberto Micheletti räumte dieser unter dubiosen und umstrittenen Umständen Wahlen ein.

Doch ein Jahr nach Amtsantritt des aktuellen Präsidenten Porfirio Lobo Soso von der PLN ist die Idee eines sozial gerechteren Honduras lebendiger als je zuvor. Mehr noch: der Widerstand gegen Zelayas gewaltförmige Absetzung hat eine eigene Dynamik entwickelt. Längst geht es nicht mehr nur um die Rückkehr des Ex-Präsidenten in das Land, in dem 59% der Menschen in Armut leben. Vielmehr hat es sich der Widerstand auf die Fahnen geschrieben, Honduras neu zu gründen, ein „neues und alternatives Lebensmodell zu entwerfen“, so Jesús Antonio Chavez, Aktivist der FNRP.

Ein Jahr neoliberaler Anpassungen

Die Regierung von Porfirio Lobo aber ließ von den Reformen Zelayas nichts Nennenswertes übrig. Es wurde wieder emsig privatisiert. Das staatliche Wasserkraftwerk „José Cecilio del Valle“ z.B ging an ein italienisches Unternehmen, der nationale Telekommunikationskonzern „Hondutel“ wurde dem Armeechef Romeo Velázquez anvertraut. Doch nicht nur Staatsbetriebe bringt Lobo unter den Hammer. Ein neues Wassergesetz, beschlossen schon unter Micheletti, ermöglichte die Konzessionierung von Flüssen an ausländische Unternehmen. Von 300 geplanten Projekten sind 47 schon realisiert, teilweise mit hohen finanziellen Hilfen von USAID. Der Fluss „Rio Negro“, an dessen Lauf drei Dörfer liegen, und der die Lebensgrundlage deren BewohnerInnen darstellt, wird so zum profitträchtigen Schnäppchen. Profite um die 40 Milliarden Dollar werden in den nächsten 30 Jahren aus der Energiegewinnung erwartet. Flüsse sind nicht die einzige natürliche Ressource des immergrünen zentralamerikanischen Landes, die die Lobo-Regierung auf den globalen Märkten feilhält. Ganze Waldstriche werden auf ihre Kapazität vermessen, Kohlendioxid zu absorbieren. Anschließend werden sie parzelliert und an ausländische Konzerne verleast, die dadurch an neue CO2- Emissionszertifikate gelangen. Die lokale Bevölkerung hingegen wird durch den Verkauf der Wälder von deren Nutzung ausgeschlossen. Auch das neue Arbeitszeitgesetz der Regierung entspricht ganz den Erwartungen inländischer und ausländischer InvestorInnen. Es legalisiert Stundenarbeit, gleichzeitig gehen fundamentale Ansprüche wie Urlaub, Karenz oder ein geregeltes Monatseinkommen verloren. Bertha Cáceres, Koordinatorin der Indigenenorganisation COPINH, resümiert: „Das Resultat des Putsches ist ein noch nie da gewesener Ausverkauf der natürlichen Ressourcen von Honduras“.

Aufbruch im Umbruch

Für die honduranischen sozialen Bewegungen aber war der Putsch wie ein Weckruf. Wenige Tage nach der Entführung Zelayas wurde die FNRP gegründet, die heute mehr als 60 Organisationen vereint. Die Grundlage des Bündnisses ist die Ablehnung des Putsches und der aus ihm hervorgegangenen Regierung und das Beharren auf der von Zelaya angestrebten verfassungsgebenden Versammlung. Für ihre Einberufung hat die FNRP schon 1,5 Millionen Unterschriften gesammelt, das entspricht 55% des honduranischen Wahlvolkes. „Eine derartige Mobilisierung der Bevölkerung hat Honduras noch nie erlebt. Diesen Sprung in unserem Bewusstsein hätte Zelaya so nie herbeiführen können.“, zeigt sich auch Carlos H. Reyes erstaunt. Reyes war unabhängiger Präsidentschaftskandidat 2009, zog seine Kandidatur aber wegen der repressiven Verhältnisse, unter denen die Wahl stattfand, zurück.

Das Programm der Widerstandsbewegung ist gleichzeitig ihr Vorschlag für eine neue Verfassung, die gemeinsam mit allen AkteurInnen der honduranischen Gesellschaft erarbeitet werden soll.  Inhaltlich deckt er die gesamte Bandbreite der Forderungen der sozialen Bewegungen ab. Das neoliberale Modell soll endgültig beiseite gelegt und ein neuer „Sozialpakt“ ausgehandelt werden, der der sozialen Polarisierung gegensteuert. Komplementäre Mixwirtschaft, der Ausstieg aus Freihandelabkommen und die Förderung regionaler Integration weisen einer neuen Wirtschaftspolitik die Richtung. Ein Privatisierungsverbot natürlicher Ressourcen sowie ein neues Wassergesetz sollen allen HonduranerInnen Zugang zu sauberem Wasser und ein Leben in einer gesunden Umwelt garantieren. Auch den Bedürfnissen der bäuerlichen Bevölkerung wird Rechnung getragen. Eine Agrarreform soll den LandarbeiterInnen, von denen über  80% unterhalb der Armutsgrenze leben, Zugang zu eigenem Land verschaffen. Schlussendlich wird den klientelistischen und korrupten politischen Strukturen in Honduras mit Formen der „partizipativen Demokratie“ der Kampf angesagt.

Die „Kolumbianisierung“ des Konflikts

In dem traditionell rechtskonservativen Land bedeutet eine solche Bewegung einen klaren Bruch mit den politischen Traditionen. Gleichzeitig sind die Mehrheitsverhältnisse keineswegs eindeutig, das Land gespalten. Eine aktuelle Studie des unabhängigen Forschungsinstituts CESPAD zeigt, dass sich 45% der Bevölkerung einverstanden mit Lobos Handhabung der Krise erklären. Gleichzeitig aber haben 71% kein Vertrauen in die Demokratie in ihrem Land, ein Drittel der  Befragten unterstützt die FNRP. Die Regierung aber erkennt die friedliche Widerstandsbewegung nicht als politischen Akteur an. Seit Amtsantritt Lobos hat die Repression gegenüber den AktivistInnen der FNRP und der sozialen Bewegungen massiv zugenommen. COFADEH, eine traditionsreiche honduranische Menschenrechtsorganisation, registrierte über 100 politische Morde und mehr als 1.000 politisch motivierte Menschenrechtsverletzungen allein im Zeitraum vom 30. Januar bis 30. August 2010. Die „Reporter ohne Grenzen“ erklärten Honduras im April 2010 zum weltweit gefährlichsten Land für JournalistInnen. Systematische Drohkampagnen tun ihr übriges, um die Opposition zum Schweigen zu bringen. 28 HonduranerInnen haben aus politischen Gründen Asyl in anderen Staaten erhalten. Von all den Todesfällen  wurde bisher nur ein einziger Fall aufgeklärt. Dieses Klima der Straflosigkeit und der Angst hat mit Demokratie nicht viel zu tun. Oscar Mendoza, Sekretär der Basisorganisation PRO, spricht gar von der „Kolumbianisierung“ des Konflikts in Honduras.

Tatkräftige Unterstützung aus Europa

Nichts desto trotz hat die EU im Mai 2010 ein Assoziierungsabkommen mit Honduras  abgeschlossen (noch nicht ratifiziert). Deutschland legte im Januar 2011 noch ein Kooperationsabkommen über 47 Millionen Euro nach. Der Aufsichtsratvorsitzende der deutschen Entwicklungshilfeagentur GIZ, Hans-Jürgen Beerfeltz, meint: „Die Regierung von Präsident Lobo bedeutet für uns einen positiven Wandel im Land“. Und so bedankt sich Profirio Lobo Sosa in seiner Ansprache zum einjährigen Bestehen der Regierung nicht nur für die Unterstützung internationaler Organisationen wie dem IWF, der Lobo Kredite im Ausmaß von 200 Millionen Dollar einräumte, sondern auch bei den „befreundeten Ländern“. Die um 40% gestiegenen ausländischen Direktinvestitionen während seiner Amtszeit seien auf die Stabilität und die Freiheit, die seine Regierung dem Land gebracht hätte, zurückzuführen. Ein kleines Schmunzeln kann auch er sich bei diesen Worten nicht ganz verkneifen.

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